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Die Struktur unserer Wirtschaft und verwandter Institutionen kann, im Angesicht der Entwicklungen der letzten Dekaden, so nicht mehr lange bestehen. Wieso das so ist und was wir ändern können, ist leider nicht sehr einfach zu verstehen.
In den letzten Jahrzehnten sind wir immer mehr dazu übergangen, den Erfolg unserer nationalen Volkswirtschaften mithilfe dessen Wachstum zu bestimmen. Je höher das Wachstum, desto besser, oder nicht? Dennoch melden sich immer mehr Ökonom:innen zu Wort, die betonen, dass eine Wirtschaft in der Form, die wir heutzutage kennen, keine zukunftsfähige Alternative ist. Durch das starke Wachstum, dennoch nur moderate Effizienzgewinne, verbrauchen wir pro Person, als auch als gesamte Weltwirtschaft, immer mehr Ressourcen. Trotzdem leben viele Menschen in Armut, erfahren extreme soziale Ungleichheit, oder müssen die langsame Zerstörung der Ökosysteme, in denen sie zu Hause sind, miterleben.
Wir beim Pilotprojekt möchten dieses Problem verstehen, um Lösungsansätze zu finden und uns dieser riesigen Herausforderung entgegenzustellen. Dazu haben wir die Umweltökonomin und Expertin in diesem Gebiet, Univ. Prof. Dr. Sigrid Stagl, interviewt. Hier findet ihr die wichtigsten Ausschnitte unseres Interviews, in dem wir die aktuelle Problemlage diskutieren, was bereits gut läuft und welche Aspekte unserer Wirtschaft und Institutionen wir noch dringend ändern müssen, damit wir unsere Gesellschaft für die Zukunft absichern können.
Mein Name ist Sigrid Stagl. Ich bin Professorin für Umweltökonomie und -politik an der Wirtschaftsuniversität Wien und arbeite innerhalb des interdisziplinären Bereichs Ökologischer Ökonomie, die eben als ein Bereich der problemorientierten Analyse von gesellschaftlichen Herausforderungen sich etabliert hat, vor allem im Bereich von Umweltproblemen.
Es ist uns in der Ökologischen Ökonomie wichtig, dass wir immer auch andere gesellschaftliche Herausforderungen mitdenken, sei das soziale Ungleichheit oder internationale Entwicklung etc. Aber man muss sich natürlich spezialisieren, das heißt die Umweltexpertise ist halt meine hauptsächliche Expertise. Empirisch arbeite ich vor allem in den Bereichen Nahrungsmittelsysteme und Energiesysteme.
Unter Wirtschaftswachstum versteht man in der Volkswirtschaftslehre die Veränderung, normalerweise hofft man darauf, dass es eine Steigerung ist, des Bruttoinlandsproduktes von einem Jahr auf das andere; oder von einem Quartal aufs andere. Und unter Wirtschaft-, Bruttoinlandsprodukt (BIP) versteht man die über Märkte gehandelten, oder die monetären, in Preisen bewertete Äquivalente von über Märkte gehandelte Güter und Dienstleistungen innerhalb einer Volkswirtschaft, innerhalb eines Jahres. Das heißt also, alle Güter und Dienstleistungen, die außerhalb von Märkten gehandelt werden, zum Beispiel Freiwilligenarbeit, Selbstversorgung in Haushalten; Gemeinschaftsarbeit, die werden nicht im BIP abgebildet, weil sie eben nicht eine Markttransaktion sind. Und das ist eben was das BIP kann: Die Markttransaktionen, die mit den Marktpreisen bewertet sind, innerhalb eines Jahres, innerhalb eines Landes zu bewerten. That’s it. Es ist ein Produktionsmaß. Nicht mehr und nicht weniger als das. Und als solches sollte man es auch verwenden.
Das BIP als das vornehmliche wirtschaftspolitische Ziel, ist etwas relativ Neues in der Geschichte. Eine starke, klare Messung des BIPs gibt’s erst seit ungefähr Mitte des letzten Jahrhunderts, und selbst in den 70er, 80er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde noch sehr stark, bis in die 90er Jahre, von den mehrdimensionalen Zielen der Wirtschaftspolitik ganz explizit gesprochen, wo BIP eines der Ziele davon war. Was wir in den letzten Jahrzehnten erlebt haben, ist eine Zuspitzung der Wirtschaftspolitik auf BIP-Steigerung und da gibt es mehrere Gründe dafür. Medien sind eine Domäne, die hier eine Rolle spielen, also das kann man schneller, peppiger innerhalb von 30 Sekunden kommunizieren, wie sich das BIP verändert hat, im Verhältnis zu einem mehrdimensionalen Konzept. Und ich glaube da müssen wir ein bisschen zurückrudern.
Also das ist das eine Phänomen. Das Andere, wenn man nochmal zurückgeht in der Geschichte, wie es entstanden ist, dass diese Orientierung auf das BIP hin sich ergeben hat. Die Fokussierung auf das BIP entstand in einer Zeit, als zum Beispiel in Europa viele Ländern arm waren, in der Nachkriegszeit. In der damaligen Weltwirtschaft waren noch viele andere Weltregionen noch sehr stark herausgefordert. Das heißt also, in einer Situation, wo Armut, das System von Einkommen, die hauptsächliche Problemlage ist – da ist natürlich Wirtschaftswachstum eine produktive Antwort darauf.
In einer Situation, sei das jetzt in einem Land, in einer Region, ein Haushalt, der in Armut lebt, ist natürlich Einkommenssteigerung die hauptsächliche Antwort, oder muss ein Teil des Antwort-Mixes sein. Das heißt, dort macht es Sinn BIP-Steigerungen nicht nur zuzulassen, sondern auch einzufordern, aber immer in Kombination, und da sind wir jetzt wieder beim mehrdimensionalen Ziel, das man im Blick haben muss, immer in Kombination mit anderen Maßnahmen, die weitere Dimensionen der gesellschaftlichen Entwicklung ausmachen, vorantreiben.
Jetzt ist aber die Kritik daran, dass das BIP so wichtig geworden ist, weil wenn man sich die empirische sozialwissenschaftliche Forschung ansieht, ist es ganz klar, dass wenn man die mehrdimensionalen Messinstrumente von Wohlbefinden, Wohlergehen der Bevölkerung sich anschaut, dann gibt es zwar Dimensionen, die mit Einkommen positiv korrelieren, andere Dimensionen, die überhaupt keine Beziehung haben mit Einkommen, und weitere Dimensionen, die negativ korrelieren mit Einkommen. Zum Beispiel die Konsummöglichkeiten steigern sich natürlich mit dem Einkommen, die gesellschaftliche Teilhabe vor allem in den politischen Dimensionen ist – gibt es keinerlei Zusammenhang mit Einkommen und bezüglich der Umweltdimensionen gibt es eine negative Korrelation mit Einkommen. Das heißt, je höher das Einkommen, desto eher wird Umwelt von Dienstleistungen verbraucht. Also man kann nicht mehr, das wissen wir aus der empirischen Sozialforschung, davon ausgehen, dass indem wir Einkommen steigern, wir ungefähr in die „richtige“ Richtung gehen.
In der herkömmlichen Ökonomie der volkswirtschaftlichen Lehre geht man davon aus, dass das hauptsächliche Ziel der Haushalte beispielsweise Nutzenmaximierung ist. Nutzen kann man aber ganz schlecht messen. Es hat Versuche gegeben, mit Gehirnströmen und ähnliches – ist aber ganz schwer zu messen, und deswegen nimmt man als Annäherungsgröße, Konsummöglichkeiten. Das heißt, wenn mehr Konsummöglichkeiten für Haushalte geschaffen werden, dann geht man davon aus, dass der Nutzen steigt; und mehr Nutzen, mehr Konsummöglichkeiten schafft man, indem man ein höheres Einkommen schafft. Das klingt nach einer naja, ungefähr richtigen Kette, hat aber philosophische Sprünge drinnen und reduziert Menschen auf ihre Konsummöglichkeiten.
Die aktuellen Institutionen und Regelwerke, die wir haben, sind darauf aufgebaut, dass man davon ausgeht, dass wir Wirtschaftswachstum haben werden. Das ist deswegen attraktiv, oder erleichtert die gesellschaftliche Auseinandersetzung, weil wir einerseits Produktivitätssteigerungen haben, und das ist positiv natürlich, das wollen wir, in einer innovativen Ökonomie haben wir Produktivitätssteigerungen – aber wenn wir beispielsweise nächstes Jahr mit 97 % der Arbeitskräfte 100 % der Produktion schaffen können, naja, dann brauchen wir 3 % weniger Arbeitskräfte, oder zumindest weniger Arbeitsvolumen und dann ist die Frage was tun wir damit.
In der Vergangenheit war es zuerst oft so, dass man sich das über die Arbeitszeitreduktion auszahlen ließ. Also Arbeitskräfte haben halt weniger Wochenarbeitszeit, man hat den sechsten Arbeitstag abgeschafft, Tagesarbeitszeit und Jahresarbeitszeit reduziert, indem man mehr Urlaubsansprüche den Menschen gegeben hat, ungefähr bis in die 80er Jahre war das so. Seither war das eher opportun, dass die Arbeitszeitreduktion nicht mehr so stark eingefordert worden ist – in letzter Zeit wieder mehr, aber dazwischen, hauptsächlich, ging es um Einkommenssteigerung. Und dann sind wir wieder zurück bei den Konsummöglichkeiten schaffen für alle; und mehr Konsummöglichkeiten für alle schaffen ist halt wenn die Produktivität um 3 % steigt. Sagen wir mal, in einem Jahr, dann können alle ein bisschen mehr bekommen und es ist dann eine spannende Frage, die man analysieren kann, wie viele dann den größeren Anteil des Kuchens bekommen und wie viele einen kleineren Anteil.
Tendenziell haben wir schon die Perspektive, dass Kapitaleigner:innen vom Wirtschaftswachstum mehr profitieren, als Arbeitnehmer:innen. Und all das ist halt relativ eingespielt, und funktioniert einigermaßen, solange wir halt Wirtschaftswachstum haben. Das heißt, man erspart sich sozialen Konflikt, solange wir Wirtschaftswachstum haben. Wenn wir aber ohne Wirtschaftswachstum produzieren, also mal die Frage: Wie gehen wir damit um, dass wir weniger Arbeitsvolumen brauchen, und wie gehen wir damit um, dass die Kapitaleigner:innen eigentlich es erwarten, und es gewohnt sind, aufgrund der letzten Jahrzehnte, dass sie immer ein bisschen mehr kriegen, von dem was produziert wird, als die Arbeitnehmer:innen. Das ist ein sozialer Konflikt, den man austragen muss, wenn wir kein Wirtschaftswachstum haben.
Es ist nicht so, dass es keine Modelle gibt, die sich das vorstellen könnten, obwohl die meisten Modelle so kalibriert sind, dass sie besser funktionieren, wenn es Wirtschaftswachstum gibt. Es ist zudem nicht so, dass wir keine Möglichkeiten hätten, das anders auszugestalten, aber man muss sich manchen gesellschaftlichen Konflikten mehr stellen.
Weil Nutzen, das können wir eigentlich gar nicht benennen, was Nutzen ist. Nutzen ist das, was uns Individuen subjektiv sagen. Und wenn ich sage, ich brauche ein 300 m2 Haus mit einem 2000 m2 Garten, der einen kurzgemähten Rasen hat und immer grün gehalten wird, dann sind da wahnsinnige ökologische Implikationen mit verbunden, und wir tun uns aber schwer in der Analyse zu sagen – naja, ist das gerechtfertigt, ist das etwas was man verallgemeinern könnte? Weil wenn ich sage, das ist das, was ich sozusagen zu meiner Nutzenmaximierung brauche, und solange ich es mir leisten kann, dann werde ich mir das kaufen, dann ist das so. Solange das innerhalb meines Budgets gehalten ist und ich kommuniziere, meine Nutzenfunktion ist dann halt so. Das ist analytisch höchst unbefriedigend. Während, wenn wir von Bedürfnissen sprechen, „Human Needs“, dann sind das einerseits „Needs“, die wir benennen können, das sind „Nutrition“ natürlich, also Ernährung, dann Behausung, aber auch soziale Teilhabe, Sicherheit, ökonomische Sicherheit – also es gibt unterschiedliche Listen, die man heranziehen kann, und man geht davon aus, dass die menschlichen Bedürfnisse über die Zeit und über die Weltregionen hinweg konstant sind.
Wenn man auf diese Bedürfnisse explizit abstimmt und dann versucht die Versorgungssysteme so aufzustellen, dass die Bedürfnisbefriedigung aller in der Region, im Land lebenden Menschen sicher gestellt ist, dann kann man viel präziser darum Auskunft geben, wie es darum bestellt ist, wie die Menschen versorgt sind.
Der Vorteil davon ist dann, dass einerseits die Bedürfnisse für alle Menschen einmal gleich sind, das finde ich als einen Ansatz sehr hilfreich – und auf der anderen Seite, dass sie auch „satiable“ sind. Das heißt, sie können befriedigt werden. Also es ist ein Unterschied zu „Wants“, also Wünschen, die natürlich durch Werbung beispielsweise, immer weiter vorangetrieben werden, die niemals vollkommen befriedigt sein können. Und das heißt aber nicht, dass eine auf Bedürfnisorientierung ausgerichtete Volkswirtschaft, nicht innovativ sein kann. Ganz im Gegenteil, weil diese „Satisfier“ und die Versorgungssysteme, die können natürlich sich stark unterscheiden, von einer Dekade auf die nächste, von einer Weltregion auf die andere.
Das klingt jetzt alles sehr utopisch und zukunftsorientiert, und würde sehr große Veränderungen erfordern, ist es aber gar nicht. Weil nämlich die Ansätze von Theodor Roosevelt beispielsweise, und den darauf folgenden Entwicklungen der europäischen Wohlfahrtsstaaten eigentlich ganz stark in diese Richtung gehen. Also wir haben beispielsweise das Bedürfnis von Bildung oder sicherem Aufwachsen als Kind. Da gibt es natürlich die Versorgungssysteme, in Österreich, dass Bildung gratis ist, dass Kinderbetreuung, zum Beispiel in Wien, gratis ist. Das heißt, allen, die in Wien leben, steht dieser Dienst zur Verfügung. Es ist natürlich so, dass manche wählen ihre Kinder nicht an die öffentliche Schule zu schicken, oder an die öffentliche Universität oder an einen öffentlichen Kindergarten – das ist okay, der hat dann halt einen höheren Preis, aber man hat zumindest die Möglichkeit die öffentliche Versorgung, die in einer guten Qualität zur Verfügung gestellt wird, zu nutzen.
Ähnliches haben wir bei der Wasserversorgung, es ist nicht so, dass Wasser gratis zur Verfügung gestellt wird. Das ist auch gut und richtig so, weil das ist eine wertvolle Ressource, die soll auch einen Preis haben, aber sie wird sicher nicht mit Vollkosten verrechnet. Und das Klimaticket ist auch ein ganz schönes Beispiel dafür. Mobilität ist zwar kein Bedürfnis, aber ist ein „Satisfier“ für beispielsweise das Bedürfnis der sozialen Teilhabe. Oder auch um am Arbeitsmarkt teilnehmen zu können, braucht man natürlich Mobilität und mit dem Klimaticket zu einem relativ günstigen Preis – drei Euro ungefähr pro Tag – möglich. Da gibt es ein wenig Bundesländer-Variation, der Zugang zu öffentlicher Mobilität vollends geben. Das heißt nicht, dass man überall, so schnell wie möglich und jederzeit hinkommen kann, aber es gibt eine gute Grundversorgung.
Da geht es darum, dass man nicht nur die „planetary boundaries“, oder die bio-physischen Grenzen hat, sondern dass man die koppelt und irgendwie verknüpft, intellektuell auch, oder als Rahmung für unsere Analyse, mit dem was die gesellschaftlichen Ziele sind unseres Wirtschaftens.
Kate Raworth hat mit der „Doughnut Economics“, wirklich etwas spannendes vorgelegt und hat aber, um nicht ihre eigenen Präferenzen da sozusagen rein zu schreiben, in der Mitte, als die „Social boundaries“, also als „social minima“, hat sie aus „policy documents“ Dimensionen herausgelesen, die sehr häufig vorgekommen sind, um Dimensionen in den Analyserahmen reinzunehmen, die schon einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung, sich daraus ergeben haben.
Als Sozialwissenschaftlerin ist die Liste ein bisschen unbefriedigend, insofern, weil sie nicht einem konzeptionellen Rahmen folgt. Deswegen würde ich in Zentrum der Social Minima, nicht Minima schreiben, sondern so etwas wie „Human Flourishing” und das konzeptualisieren, entweder mit den menschlichen Bedürfnissen, oder mit dem „capabilities-approach”, „subjective wellbeing”. Irgendwas was produktiver ist, wir arbeiten halt viel mit den menschlichen Bedürfnissen, da gibt es auch Alternativen, es geht nicht darum dogmatisch zu sein und sagen, das ist der richtige Ansatz – sondern eher mit diesem Rahmen der produktiv ist. Wir müssen innerhalb von bio-physischen Grenzen bleiben und trotzdem sozusagen die Bevölkerung gut versorgen, auf eine Art und Weise, so dass sie das auch attraktiv finden – dass das auch eine dynamische Gesellschaft ist, wo man teilhaben möchte und es möglich wird, daran teilzuhaben.
Da kann man jetzt sehr spannende Vorschläge entwickeln, aber prinzipiell einmal über zu gehen und zu sagen, BIP schön und gut, das ist ein Produktionsmaß, aber das ist nicht das Ziel unseres gesellschaftlichen Tuns, das ist nicht einmal das Ziel unseres Wirtschaftens. Weil das Ziel unseres Wirtschaftens ist eine Bevölkerung gut zu versorgen und damit wird das BIP ein Mittel zum Zweck und geht weg von dieser starken Zielorientierung aus. Und ich glaube, dass diese Diskussion produktiver ist als so Glaubensbekenntnisse: Bin ich für oder gegen Wirtschaftswachstum? Ehrlich gesagt, mir ist das egal, bezüglich Wirtschaftswachstum ob da etwas Positives oder Negatives herauskommt, wenn die gesellschaftlichen oder menschlichen Bedürfnisse alle mit oder ohne Wirtschaftswachstum befriedigt werden können.
Zum Beispiel, dass im Regierungsabkommen jetzt dann auch zunehmend in gesetzlichen Vorschriften verankert ist, dass wir bis 2030 unsere gesamte Energieversorgung auf Erneuerbare umstellen; dass im Regierungsabkommen drinnen steht, dass bis 2040 die Dekarbonisierung oder die klimafreundliche-, Klimafreundlichkeit, Klimaneutralität der österreichischen Wirtschaft und Gesellschaft – na das sind schon große Würfe. 2040 ist halt weit weg, das ist für Politiker:innen leichter sich darauf zu einigen, als auf die kurzfristigen Dinge, aber dennoch, das als Ziel einmal festzuschreiben. Vor allem das waren zwei Parteien, die sozusagen in der intellektuellen und politischen Diskussion in zwei verschiedenen Ecken stehen und das wird schwierig sein für zukünftige österreichische Regierungen, und auch wenn es andere Parteien sind, von dem wieder zurück zu gehen.
Was auch noch interessant werden wird, ist die Diskussion über den Pflegebereich, der aus sehr unterschiedlichen Perspektiven analysiert werden kann. Das ist nicht mein Fachgebiet, aber ich beobachte das interessiert vom Rand sozusagen; je nachdem ob die Pflege halt als ein Gratis-Dienst von Familienangehörigen angesehen wurde – das war so Jahrzehnte, dann war es schon ein Fortschritt, dass sozusagen der Staat hier teilweise dafür aufkommt, oder zumindest den zu Pflegenden gewisse Subventionen zukommen lässt. Aber das ist auch immer sehr stark im Marktlichen gedacht und ob man schafft, aus der marktlichen Logik, eine wertschätzende, für die pflegende Logik, zu entwickeln? Im konkreten, wenn pflegende Angehörige, wie die auch sozial abgesichert werden können. Da ist das Beispiel von Burgenland sehr spannend finde ich, die dann als Landesangestellte sozial abgesichert werden.
Wir leben natürlich in einer Marktwirtschaft, aber wir überlassen nicht alles dem Markt und das aus guten Gründen. Und wir müssen auch, wenn wir in einer Marktwirtschaft leben, andere Institutionen schaffen; das kann aber nebeneinander koexistieren, das ist überhaupt kein Problem. Das finde ich spannend. Ob das ausreicht, die marktlichen Institutionen so zu verändern, und die nicht-marktlichen, um innerhalb den bio-physischen Grenzen zu bleiben, das weiß ich nicht. Ich glaube, das kann niemand sagen. Ich habe die Vermutung, dass es nicht ganz ausreichen wird, und deswegen ist es wichtig vorauszudenken.
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Einen Bereich, wo ich mich ein bisschen besser auskenne, sind Nahrungsmittel-Systeme – wo es zwar viele spannende Initiativen und von jungen ausgehenden starken Präferenz-Änderungen bezüglich dem was als gesund und was als nachhaltiges Nahrungsmittelsystem erachtet wird, aber die institutionellen Strukturen gehen noch in die falsche Richtung. Das hat mit der europäischen Politik zu tun, wenn man sich die „From Farm to Fork Strategy” der Europäischen Kommission anschaut, wo sie im Prinzip die Strategie des Nahrungsmittel-Systems darstellen – steht sehr viel interessantes, spannendes drinnen, nur leider ist die Finanzierung des Landwirtschaftssektors über die „Communal Cultural Policy” gar nicht an dieser Strategie orientiert.
Österreich hat auch in die Richtung gewirkt, dass genau die Finanzierung des Landwirtschaftssektors so nach der alten Logik und nicht nach der neuen „Farm to Fork Strategy” erhalten bleiben soll. Da würde ich mir wünschen, dass sich der österreichische Landwirtschaftsminister (Norbert Toschnig), damals Landwirtschaftsministerin (Elisabeth Köstinger), sich eines besseren besinnt. Weil die Strategie greift die Herausforderungen auf, das Finanzierungsinstrument operiert noch immer in einer alten Logik. Kann man sagen, das ist halt ein europäischer Fehler, aber Österreich hat hier nicht protestiert, oder sogar im Gegenteil im Hintergrund daran gearbeitet, dass sich ja nichts ändert.
Und ein anderer Bereich, wo noch sehr viele Macken liegen, und das würden Sie wahrscheinlich erwarten, dass ich das sage, ist der Mobilitätsbereich. Wir haben zwar mit dem Klimaticket schon eine tolle Vorlage – wirklich super, dass das gelungen ist, das auch umzusetzen, relativ zügig, aber es braucht natürlich einen starken Ausbau von öffentlichen Verkehrsdiensten und einen starken Ausbau von Fahrradwegen und aktiven-, anderen aktiven Mobilitätsformen. Also zu Fuß gehen, zum Beispiel. Solche relativ drastischen Einschnitte, wie in Stadtzentren keinen motorisierten Individualverkehr mehr zuzulassen – außer man liefert die Großmutter, die gehbehindert ist, vor ihrer Haustüre ab, oder man liefert jemanden ab, der gesundheitlich beeinträchtigt ist und so weiter. Man hat einen guten Grund und ansonsten ist Mobilität im Stadtzentrum eine aktive, oder eine Kombination aus aktiver Mobilität, also zu Fuß gehen, Fahrrad fahren und öffentlicher Verkehr. Auch den öffentlichen Verkehr in den ländlichen Gegenden deutlich auszuweiten, da auf eine kluge Variante zu setzen, nämlich, dass natürlich nicht überall die U-Bahn hingebaut werden kann, oder Schienen hingelegt werden können, sondern das es Sammeltaxis und „Mobility as a Service“ sozusagen als Logik gibt, wie man auch elektronische Plattformen verwendet, zum Beispiel Mitfahrgelegenheiten nutzen. All das wird für mein Empfinden noch viel zu wenig betrieben, und auch im Güterverkehr, der müsste viel stärker auf die Schiene verlegt werden, das ist klar, dass es da ein Kapazitätsproblem gibt, und andere Länder, die Schweiz, haben das viel drastischer vorangetrieben und haben Erfolge damit, das heißt es geht.
Ein Wiener Arzt hat einmal argumentiert: Rein aus medizinischer Sicht, müsste man eben innerhalb des Gürtels beispielsweise motorisierten Individualverkehr verbieten – nur aus medizinischer Sicht, weil gegangene Schritte, gesunde Lebensjahre produzieren. Und das ist scheinbar eine lineare Beziehung in einer Form, die man sonst kaum irgendwo findet. Also alle Menschen können mehr zu Fuß gehen, die die schon sehr fit oder die die weniger fit sind, gehen halt ein bisschen mehr zu Fuß und fahren halt mehr mit der Bim – für alle ist es zuträglich. Und das ist selten, dass man so ein Allheilmittel findet, für gesundheitliche Themen, wie gegangene Kilometer. Dann scheint es absurd, dass man in einer Innenstadt mit dem Auto herumfahren darf. Der Arzt hat das nur aus dieser Logik heraus, also gegangene Schritte für Personen, argumentiert, noch nicht aus Luftverschmutzung-Perspektive, wo jedes Jahr 700 Menschen in Österreich frühzeitig sterben, noch nicht aus einer Klimagas-Perspektive, noch nicht aus einer Nutzung des öffentlichen Raums. Also stellen wir uns mal vor, was alles getan werden könnte, wenn nicht diese Blechkisten überall rumstehen würden.
Die sind natürlich eine Herausforderung, auf der anderen Seite haben sie auch Potential. Denn wenn sich Menschen einmal auf eine andere Gewohnheit umgestellt haben, dann bleiben sie auch hängen. Also, das heißt, Gewohnheiten haben Potential.
Nur wir brauchen eben diese Hebel, nach denen wir alle suchen, wo wir einerseits Entscheidungsträger:innen und auch der Bevölkerung aufzeigen könnten: „Hey, wenn wir den Gürtel absperren, also auch den Bereich innerhalb vom Gürtel absperren, probieren wir das doch einmal aus, wie wäre denn das?“ Dann würde man vielleicht merken, „Hoppala, zum Arbeitsplatz ist es vielleicht gar nicht so weit, oder ich fahr halt bis zum Gürtel sozusagen und die letzten 10 Minuten gehe ich zu Fuß, und dann fühle ich mich in der Früh ein wenig aktiver, nachdem ich das gemacht habe.“ Das muss man aber erleben, da braucht es einen Grund dafür, weshalb man diese Veränderung herbeiführt.
Vor ein paar Jahren hätte ich argumentiert, in den Bereichen, wo sehr rational entschieden wird, und wo ganz klar in Richtung Einkommensmaximierung gearbeitet wird, dort wird es besonders schwierig werden, weil das sind die Leute, die vom aktuellen System besonders profitieren. Und die werden sehr schnell merken, dass wenn etwas verändert wird, dass sie weniger davon profitieren und dann werden sie Macht geltend machen. Und da hatte ich vor allem an Finanzmarktakteure gedacht. Der Finanzmarkt ist aber mittlerweile auch ein, sagen wir durchwachsener Sektor, weil immer mehr Teilnehmende sehr wohl merken, dass in die Zukunft orientierte Investitionen, manche Sektoren nicht mehr inkludieren werden.
Ich glaube, das ist noch ein ganz starkes Arbeitsgebiet und dass man da aber differenziert vorgeht, also dass man nicht den Finanzsektor verdammt und es gibt viele Gründe weshalb man den Finanzsektor gesellschaftliche Herausforderungen, mit denen verknüpfen muss, zum Beispiel „Financialisation“. Also wo man durch Finanztransaktionen mehr verdienen kann als durch Investitionen in die reale Wirtschaft. Aber man muss diesen Sektor beispielsweise auch mitnehmen, um die sozial-ökologische Transformation zu schaffen. Da gibt es schon Ansatzpunkte dazu, da sind ein paar Leute derzeit an den Hebeln, die interessant sind, wie zum Beispiel die Präsidentin des internationalen Währungsfonds, oder auch in der Europäischen Zentralbank. Die haben verstanden, was derzeit die Problemlagen sind und versuchen hier sehr wohl produktive Veränderungen herbeizuführen.
Im Gespräch mit Professorin Stagl durften wir einen Blick darauf werfen, wie wir aus der Perspektive der Wirtschaftspolitik unsere Wirtschaft und Institutionen zukunftsfähiger gestalten können. Das Forschungsgebiet in diesem Bereich ist riesig, komplex und benötigt interdisziplinäre Zusammenarbeit.
Dennoch können wir einige Hauptinhalte mitnehmen: Für die Zukunft unserer Gesellschaft brauchen wir wirtschaftliche und andere Institutionen, die die Bedürfnisse der Menschen sichern, um ein allgemeines Wohlbefinden zu sichern. Dies müssen wir innerhalb von bio-physischen Grenzen leisten: Das heißt, dass wir die Ressourcen, die uns unser Planet bietet, nicht übermäßig ausbeuten dürfen. Um herauszufinden, was wir wie verändern wollen, messen wir das Wohlbefinden der Gesellschaft und unseren Ressourcenverbrauch.
Das BIP ist hier als alleiniger Indikator nicht geeignet, viel eher sollten die konkreten Bedürfnisse von Menschen operationalisiert werden. Mit diesem mehrdimensionalen Ansatz können wir Veränderungen in Gang setzen, um unsere Gesellschaft langfristig nachhaltig zu gestalten.
Im Namen des Vereins bedanken wir uns bei Prof. Stagl für diese Zusammenarbeit und wünschen Ihr auf ihrem weiteren Weg nur das Beste und viel Erfolg, vielen Dank!
Ich würde einmal anfangen mit Ian Gough, „Heat, Greed and Human Need” und das wirklich auch sacken lassen, weil das ist eine andere Herangehensweise im Denken, und ich glaube sich das wirklich zu Gemüte zu führen, ist einmal ein guter Startpunkt.
Er argumentiert die ökologische Modernisierung, dass die reine Orientierung auf Effizienz-Steigerung nicht ausreicht ist ganz klar, also grünes Wachstum, „Sustainable Growth” etc. Es braucht eben einen weiteren Schritt, den hat er versucht so zu entwickeln, wie zwar ein Nutzen der Markt-Logik, aber in bedeutenden Bereichen doch ein sich Verabschieden/ Heraustreten von der Marktlogik beitragen können. Wenn das nicht ausreicht, dann müssen wir aber auch einen Plan haben was sozusagen nächste Schritte sein können.
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